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Mitzuverarbeitende Bausubstanz plus Umbauzuschlag?

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Artikel erschienen im Deutsches Architektenblatt – Regionalausgabe Baden-Württemberg, März 2021

Mitzuverarbeitende Bausubstanz (mvB) plus Umbauzuschlag (UZ)?

Diese Frage stellen sich noch immer viele Planerinnen und Planer sowie Auftraggeber. Doch bereits mit dem Urteil vom 19.06.1986 (VII ZR 260/84) hat der BGH klargestellt, dass mitzuverarbeitende Bausubstanz und ein Umbauzuschlag anzusetzen sind. Nachfolgende Entscheidungen der Oberlandesgerichte haben das bestätigt. Einzige Ausnahme ist die kurze Episode der HOAI 2009. In dieser hat der Verordnungsgeber die mitzuverarbeitende Bausubstanz abgeschafft und dafür die Möglichkeit eingeräumt einen höheren Umbauzuschlag bei durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad zu vereinbaren. Mit der HOAI 2013 wurde wieder zurückgerudert, weil die höheren Umbauzuschläge in der Praxis nicht durchsetzbar waren.

Warum verzichten Planer zum Teil auf den Ansatz der mvB?

Einigen ist die Berechnung zu aufwendig, wobei es unterschiedlich zeitintensive Ermittlungsverfahren gibt. Andere wissen nicht wie sie ihrem Auftraggeber erklären sollen, dass beides anzusetzen ist oder denken, dass Ihnen ein etwas höher verhandelter Umbauzuschlag ausreicht.

Warum sind der Umbauzuschlag und die mitzuverarbeitende Bausubstanz anzusetzen?

Ist das nicht das Gleiche? Wird der Planer dadurch doppelt bezahlt? Vor allem bauunerfahrene Auftraggeber sehen darin eine Doppelvergütung. Das ursächliche Problem liegt in der HOAI selber, denn sie wurde hauptsächlich für Neubauten konzipiert. Das fällt zum Beispiel bei den Bewertungsmerkmalen zur Einordnung der Honorarzonen oder bei den Grundleistungen auf. Zudem weisen die Honorartafeln nur Honorare für Neubauten aus. Um die Honorargestaltung beim Bauen im Bestand zu integrieren, hat der Verordnungsgeber deshalb die mitzuverarbeitende Bausubstanz, den Umbauzuschlag und bestandsbedingte, besondere Leistungen (für den Architekten Anlage 10.1 HOAI) der HOAI hinzugefügt. Die Auflistung der besonderen Leistungen ist zudem nicht vollständig.

Bild "Honorar für Grundleistungen beim Bauen im Bestand". Das Bild erläutert die Systematik der HOAI 2013 und HOAI 2021 zur Berechnung des Honorars mit Berücksichtigung der mitzuverarbeitenden Bausubstanz und dem Umbauzuschlag.
Das Bild erläutert die Systematik der HOAI 2013 und HOAI 2021 zur Berechnung des Honorars mit Berücksichtigung der mitzuverarbeitenden Bausubstanz und dem Umbauzuschlag.

Wozu mitzuverarbeitende Bausubstanz (mvB)?

Beim Bauen im Bestand soll der Planer nicht schlechter gestellt werden als für einen Neubau. Das bedeutet, der Planer soll einen Ausgleich dafür erhalten, dass er die vorhandene Bausubstanz in seine Planung und Überwachung integriert, anstatt abzubrechen und neu zu bauen, und so dem Auftraggeber Kosten einspart. Oder anders gesagt, die mitzuverarbeitende Bausubstanz gleicht anrechenbare Kosten aus, die durch den Erhalt vorhandener Bausubstanz gar nicht erst entstehen. Deswegen ist nach § 4 Abs. 3 HOAI der Umfang der mitzuverarbeitenden Bausubstanz bei den anrechenbaren Kosten (AK) angemessen zu berücksichtigen.

Wozu Umbauzuschlag (UZ)?

Der Umbauzuschlag soll die Erschwernisse beim Bauen im Bestand im Verhältnis zum Neubau honorieren und ausgleichen. Er wird als pauschale Zulage zum Grundhonorar („Neubauhonorar“) gerechnet. Denn die Honorartafeln der HOAI sind, wie zuvor geschildert, für Neubaumaßnahmen ausgelegt.

Reicht ein höherer Umbauzuschlag ohne mvB aus?

Das ist vom Einzelfall abhängig. Ein Planer kann beträchtliche Honorareinbußen haben, wenn er keine mitzuverarbeitende Bausubstanz ansetzt und keinen entsprechenden Ausgleich beim Umbauzuschlag erhält. Beispielsweise erhält ein Architekt bei einem Umbau (Vollauftrag, Honorarzone III, Mittelsatz, anrechenbare Kosten 4 Mio. €) rund 72.000 € weniger Honorar, wenn er anstatt mitzuverarbeitende Bausubstanz von 1 Mio. € und 20% Umbauzuschlag lediglich einen Umbauzuschlag von 30% ansetzt.

Empfehlungen für die Praxis

Es ist zu empfehlen keine Parameter ohne Kalkulation des Honorars fest zu vereinbaren. Der Umbauzuschlag ist ein starrer Wert, der einvernehmlich schriftlich vereinbart, aber auch angepasst werden kann. Der Umfang der mitzuverarbeitenden Bausubstanz kann sich durch Änderungen, die auch eine Fortschreibung der Kostenberechnung erforderlich machen, anpassen. Eine Berechnung lohnt sich und ist weniger aufwendig, als gedacht. Ein grob berechneter Wert der mitzuverarbeitenden Bausubstanz kann vertraglich vereinbart werden, mit dem Zusatz, dass dieser Wert angepasst werden muss, sobald sich Planungsänderungen ergeben.

Grundsätzlich sollten Planer ihr Honorar immer kalkulieren und auf oben genannte Parameter keinesfalls verzichten. Denn spätestens wenn die Mindest- und Höchstsätze in der neuen HOAI 2021 nicht mehr verbindlich sind, gilt, dass zukünftig allein vertragliche Vereinbarungen ausschlaggebend sind und eine nachträgliche Anpassung auf die Mindest- oder Höchstsätze nicht mehr möglich ist. Planer sollten auch weiterhin die HOAI als Honorarbasis zugrunde legen, aber zusätzlich bürointern kalkulieren und ein Controlling betreiben. Nur so wird gewährleistet, dass mit den angebotenen Konditionen bzw. zugrunde gelegten HOAI-Parametern gewinnbringende Aufträge vereinbart werden.

Bilder: pixebay.com

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